Warum ich niemals eine Freundin haben werde

Tristan Miller
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz1
20. Dezember 1999

Warum habe ich keine Freundin?

Das ist eine Frage, die sich praktisch jeder Mann irgendwann in seinem Leben einmal gestellt hat. Leider gibt es selten eine verbindliche Antwort. Nichtsdestotrotz versuchen viele Männer, eine Erklärung für ihr Dilemma zu finden, wobei sie oftmals zu einer Reihe von lächerlichen Schlüssen gelangen, einer masochistischer als der andere: „Ist es, weil ich zu schüchtern und nicht aggressiv genug bin? Sind es meine Anmachsprüche? Bin ich langweilig? Bin ich zu fett oder zu dünn? Oder liegt es einfach daran, dass die Frauen mich hässlich und überhaupt nicht anziehend finden?“ Wenn alle sonstigen plausiblen Erklärungen abgetan sind, greifen die meisten zurück auf den altbewährten Schluss, dass „irgendetwas mit mir nicht stimmt“, bevor sie sich mit einem Leben in ewiger Keuschheit abfinden.2

Nicht so der Verfasser der vorliegenden Abhandlung. Ich jedenfalls weigere mich, mein Leben damit zu verbringen, über meinem mangelnden Erfolg bei den Frauen zu brüten. Ich will gar nicht bestreiten, dass meine Chancen auf eine erfüllte Beziehung zu einem anderen menschlichen Wesen praktisch gleich null sind, aber ich weigere mich standhaft einzusehen, dass das mit irgendeinem inhärenten Problem meinerseits zu tun hat. Vielmehr bin ich überzeugt, dass die Situation leicht erklärt werden kann, ausschließlich unter Rückgriff auf die Demographie und etwas grundlegende Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Damit nun niemand einwendet, der Maßstab, den ich an Frauen anlege, sei zu hoch, möchte ich zunächst meine drei Kriterien für ein passendes Mädchen aufzählen. Erstens muss die potentielle Freundin ungefähr mein Alter haben – sagen wir mal 21 plus/minus drei oder vier Jahre. Zweitens muss das Mädchen schön sein, und ich verwende diese Bezeichnung in einem allgemeinen Sinn, sowohl für innere als auch für äußere Schönheit. Drittens muss sie einigermaßen intelligent sein – nicht unbedingt vom Mensa-Kaliber, aber es sollte schon möglich sein, mit ihr eine geistreiche und aufschlussreiche Diskussion zu führen. Das sind sie also: drei einfache Forderungen, die wohl kaum jemand übertrieben finden wird.

Mit dieser Vorbereitung möchte ich nun meinen Beweis präsentieren, warum die Wahrscheinlichkeit, eine passende Kandidatin zu finden, welche diese drei Kriterien erfüllt, so gering ist, dass sie an Unmöglichkeit grenzt – anders ausgedrückt: warum ich niemals eine Freundin haben werde. Ich werde mich bemühen, bei der Beweisführung so rigoros vorzugehen, wie es die vorhandenen Daten erlauben. Im übrigen wird es hier keine statistischen Tricksereien geben; ich habe alle meine Quellen zitiert und alle relevanten Berechnungen beigefügt.3 Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Zahlen werfen.

Menschen auf der Erde (im Jahre 1998): 5 592 830 0004

Wir beginnen mit der größten Bevölkerungsgruppe, die in mein Interesse fällt – die Bevölkerung unseres Planeten. Das heißt natürlich nicht, dass ich interstellare Liebesbeziehungen ablehne; die Aussicht, eine nette Altairerin zu treffen, halte ich lediglich für statistisch vernachlässigbar. Die aktuellsten, halbwegs zuverlässigen Zahlen über die Weltbevölkerung findet man im World Population Profile (WP/98), 1999 erschienen beim US Census Bureau, dem amerikanischen Äquivalent zum Statistischen Bundesamt. Wohl weil die Zusammenstellung und Verarbeitung der Bevölkerungsdaten einige Zeit in Anspruch nimmt, gelten die Zahlen in diesem Bericht nur für das Jahr 1998, so dass wir später einige Änderungen aus dem Stegreif vornehmen, um die Statistik auf den neuesten Stand zu bringen.

…davon weiblich: 2 941 118 0005

Angesichts des Titels dieses Referats sollte dieses Kriterium sich von selbst verstehen. Aber um mich klar auszudrücken: ich suche ausschließlich weibliche Gesellschaft. Dementsprechend kommt ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung nicht in Frage. Tut mir leid, Jungs.

…davon leben in „entwickelten“ Ländern: 605 601 0005

Wir schränken jetzt den geographischen Interessenbereich weiter ein auf die so genannten „Länder der ersten Welt“. Mein Beweggrund dafür ist nicht Geringschätzung für wirtschaftlich Benachteiligte, sondern reine Wahrscheinlichkeitserwägung. Man wird leicht einsehen, dass meine Chance, eine chinesische Schönheit oder eine ghanaische Göttin zu treffen, sei es persönlich oder im Internet, eher gering ist. Genaugenommen werde ich wahrscheinlich mein ganzes Leben in Nordamerika, Europa und Australien leben und arbeiten, also muss die Auswahl auf diese Regionen reduziert werden

…davon zurzeit (2000) im Alter von 18 bis 25: 65 399 0834, 5

Da ich weder pädophil noch geriatrophil veranlagt bin, möchte ich meine Brautschau auf jene beschränken, deren Alter etwa meinem eigenen entspricht. Hier wird es jetzt ein bisschen schwierig, aus zwei Gründen: erstens sind die Volkszählungdaten fast zwei Jahre alt, und zweitens sind die Tabellen „Bevölkerung nach Alter“ in WP/98 nicht in einzelne Jahre aufgeteilt, sondern in „15 bis 19“ (wovon es 39 560 000 gibt) und „20 bis 44“ (Bevölkerung: 215 073 000) quantisiert. Die 15- bis 19-jährigen Frauen des Jahres 1998 werden im Jahre 2000 17 bis 21 Jahre alt sein; von dieser Gruppe interessieren mich wiederum nur die ab 18. Wenn wir also davon ausgehen, dass die Jahrgänge in der Gruppe der 15- bis 19-jährigen Mädchen gleichmäßig verteilt sind, erhalten wir \[39\,560\,000 \times \frac{\left| 21 - 18 \right| + 1}{\left| 19 - 15 \right| + 1} = 31\,648\,000.\] Entsprechend erhalten wir für die Kategorie „20 bis 44“ von 1998 heute \[215\,073\,000 \times \frac{\left| 25 - 22 \right| + 1}{\left| 44 - 20 \right| + 1} = 34\,411\,680\] Frauen innerhalb der von mir gewählten Alterbeschränkung. Die Summe, 66 059 680, entspricht der Gesamtzahl der 18- bis 25-jährigen Frauen in entwickelten Ländern im Jahre 2000. Leider werden ungefähr 1% dieser Mädchen seit der Volkszählung gestorben sein,6 womit die tatsächliche Anzahl der bis hierhin in Frage kommenden Junggesellinnen bei 65 399 083 liegt.

…davon schön: 1 487 838

Die Anziehungskraft, sowohl die charakterliche als auch körperliche, ist ein wichtiger Initiator jedes Verhältnisses. Natürlich ist die Schönheit eine rein subjektive Eigenschaft, deren Auslegung von Mensch zu Mensch verschieden sein kann. Gottseidank brauchen wir hier Schönheit nur insoweit zu definieren, dass sie für einen gegebenen Betrachter normalerweise wohl über die Bevölkerung normalverteilt sein wird.7 Ohne auf Einzelheiten meiner persönlichen Vorlieben einzugehen, stelle ich fest, dass ein Mädchen, um von mir für wirklich schön gehalten zu werden, mindestens zwei Standardabweichungen über dem Mittelwert liegen sollte. Elementare Stochsatik lehrt uns, dass die Fläche unter der Normalkurve links von z = 2 \[\frac{1}{2} - \frac{1}{\sqrt{2 \pi}} \cdot \int_{0}^{2} e^{-\frac{1}{2}z^2} dz~\approx~0.022\,75\] beträgt, und mit dieser Zahl müssen wir also unsere derzeitige Bevölkerungsauswahl multiplizieren.

…davon intelligent: 236 053

Wie die Schönheit kann ja die Intelligenz verschiedene Dinge für verschiedene Menschen bedeuten, doch wiederum kann ich auf jedwede nähere Erläuterung verzichten, indem ich feststelle, dass die Intelligenz ebenfalls eine Normalverteilung hat – wie die meisten Statistiken. Gehen wir davon aus, dass ich schon mit jemandem, der nur eine Standardabweichung über dem Mittelwert liegt, zufrieden wäre. In diesem Fall müssen weitere \[\frac{1}{2} + \frac{1}{\sqrt{2 \pi}} \cdot \int_{0}^{1} e^{-\frac{1}{2}z^2} dz~\approx~84.1345\%\] er Auswahl abgezogen werden.

…davon nicht schon in festen Händen: 118 027

Ich konnte keine gesicherten Daten darüber finden, wie viele der bislang genannten Mädchen bereits verheiratet, verlobt oder anderweitig jemandem gegenüber verpflichtet sind. Aber formlose Beobachtung und einzelne Berichte vermitteln mir den Eindruck, dass das Verhältnis etwa bei 50% liegt. (Wer wie ich keine Freundin hat, wird zweifellos bereits bemerkt haben, dass immer wieder Mädchen glaubhaft erklären: „Tut mir leid, aber ich habe schon einen Freund“, wenn man sie um eine Verabredung bittet.) Aus moralischen Gründen (und vielleicht auch des Selbsterhaltungstriebes wegen) habe ich nicht vor, Mädchen anzumachen, die schon Freunde oder Ehemänner haben. Folglich muss ich diesen Teil der weiblichen Bevölkerung als tabu betrachten.

…davon könnten an mir Gefallen finden: 18 726

Wenn ich ein geeignetes Mädchen finde, das ich wirklich mag, heißt das natürlich noch lange nicht, dass sie meine Zuneigung auch erwidern wird. Nehmen wir an dass, wie ich bereits ausgeführt habe, die persönliche Anziehung normalverteilt ist, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Frau mich auch nur ein bisschen attraktiv findet, bloß 50%. In der Praxis jedoch kommt jemand, dessen Aussehen und Persönlichkeit gerade so genügen, kaum für eine Beziehung in Frage. Gehen wir daher von der etwas konservativeren Annahme aus, dass ein Mädchen mit mir genau dann ausgehen würde, wenn ich mindestens eine Standardabweichung über ihrer Vorstellung des Durchschnitts läge. In diesem Fall würden, wie wir bereits an früherer Stelle berechnet haben, nur 15.8655% der Frauen jemanden mit meinen körperlichen Eigenschaften und meiner Persönlichkeit als potentiellen Partner für eine Liebesbeziehung akzeptieren.

Abschließende Betrachtung

An diesem Punkt, mit einem Bestand von 18 726 annehmbaren Frauen, beschließen wir unsere statistische Analyse. Auf den ersten Blick erscheint eine Gesamtheit geeigneter Freundinnen von 18 726 nicht sehr klein, aber bedenken Sie bitte: hätte ich jede Woche ein Rendezvous mit einer Unbekannten, die ungefähr mein Alter hat, müsste ich schon 3493 Wochen lang ausgehen, bevor ich eine der 18 726 finden würde. Das sind fast 67 Jahre. Als Nordamerikaner, der in den späten 70ern geboren ist, liegt meine Lebenserwartung knapp über 70 Jahren, also können wir wohl sagen, dass ich mausetot sein werde, lang bevor ich die sprichwörtliche Frau meiner Träume treffe. Und wenn man so drüber nachdenkt: sie ebenfalls.


So there you have it, my friends—finally, a cogent, scientific, non-self-deprecating argument for why I will never have a girlfriend. That said, if you happen to be a girl deluded enough to think that you and I have a chance together, feel free to drop me a line, but I warn you, you face odds of 157 060 to 1. I wouldn't bother if I were you.

Update (2000-04-01): My sarcastic pleas for some e-mail have finally been answered. Take a look at this letter from a hysterical female reader, which I think perfectly demonstrates the point of this entire essay. (I think the fact that she's a WebTV user explains a lot—in fact, I was sure this e-mail was an April Fool's joke until I noticed the return address.)


Danksagung

Danke an Michael Matuschek, Sebastian Koppehel, Peter Remmers, und alle von a.u.g. für Hilfe mit der deutschen Version.

Endnotes and references

  1. Dieses Referat wurde geschrieben, als der Autor an der Griffith University arbeitete.
  2. Nach einer kurzen Zeit der Niedergeschlagenheit kommen diese Männer natürlich schließlich zu der Erkenntnis, dass der eigentliche Grund, weshalb sie nie eine Freundin bekommen konnten, darin liegt, dass sie bei der Beurteilung von Frauen zu streng waren. Sie werden infolgedessen wieder Verabredungen eingehen, eine Reihe langweiliger Beziehungen mit mittelmäßigen Mädchen haben, für die sie sich nicht wirklich interessieren, bis sie schließlich eine heiraten, aus Angst, dass sie sonst den Rest ihres Lebens allein verbringen. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Verhalten der wirkliche Grund für die heutigen hohen Scheidungsraten ist.
  3. Etwaige Abweichungen bei den Gesamtbeträgen sind auf Auf- bzw. Abrundungen zurückzuführen.
  4. U.S. Bureau of the Census, Report WP/98, World Population Profile: 1998, Table A-3. Washington, DC: U.S. Government Printing Office, 1999.
  5. U.S. Bureau of the Census, Report WP/98, World Population Profile: 1998, Table A-7. Washington, DC: U.S. Government Printing Office, 1999.
  6. WP/98 gibt die jährliche Sterberate für entwickelte Länder als 10 pro 1000, nennt aber keine Sterberate pro Altersgruppe. Vermutlich stellt die Sterberate sich grafisch als Badewannekurve dar, aber in Abwesenheit von Zahlen, die diese Hypothese erhärten, und auch im Interesse der Einfachheit, schätze ich die Sterberate für diese Altersgruppe konservativ auf 1% alle zwei Jahre.
  7. Trotz meiner Versuche, der Sache nachzugehen, konnte ich keine Daten über die Bevölkerungsverteilung der Schönheit, weder der inneren noch der äußeren, finden. Vielleicht ist die Anziehungskraft als weitgehend subjektive Eigenschaft für die Quantifizierung ungeeignet. Man kann aber vernünftigerweise davon ausgehen, dass sie eine Normalverteilung hat wie die meisten Eigenschaften. Diese Annahme wird im übrigen durch formlose Beobachtungen und Urteile gestützt: In jeder hinreichend großen Gruppe Menschen werden die meisten durchschnittlich aussehen, und eine winzige Minderheit wird außergewöhnlich schön oder sehr außergewöhnlich hässlich aussehen.